REMONDIS Aqua kooperiert mit Hamburg Wasser für die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
REMONDIS hat seit Jahren mit Hamburg Wasser in einer gemeinsamen Gesellschaft die Klärschlammverbrennungsanlage Vera betrieben. Es wurden bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Projektentwicklung Gespräche zur Umsetzung des TetraPhos®-Verfahrens geführt. Im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase auf dem Klärwerk Hamburg mit der Hamburger Asche, wurde das Verfahren und die notwendige Technologie zu Marktreife gebracht.
Das Projekt beinhaltet mit der Phosphorrückgewinnung ein noch sehr neues Forschungsfeld in der Verwertung. Welche Fachbereiche und Kompetenzen wurden für die Umsetzung des Vorhabens hinzugezogen?
Mit Beginn der Entwicklung des TetraPhos®-Verfahrens sind Chemiker und Ingenieure in die Verfahrensentwicklung involviert. Hausinterne Fachbereiche, wie z. B. die Analytik sowie die langjährige Erfahrung des Unternehmens im Bereich der Rückgewinnung von Wertstoffen, waren maßgeblich für die Entwicklung und den Erfolg. Insbesondere die Kompetenzen aus dem Fachbereich Abwasser und Stoffstrom (Klärschlammverwertung) der REMONDIS Aqua waren für dieses Projekt essentiell. Demnach wurde das Verfahren von REMONDIS Aqua auch eigenentwickelt und patentiert.
REMONDIS Aqua übernimmt im Projekt die Federführung in der Recycling-Technologie. Wie funktioniert das eigens für die Aufbereitung von Klärschlamm entwickelte TetraPhos®- Verfahren im Detail?
Das TetraPhos®-Verfahren mineralisiert Klärschlamm und behandelt ihn nass-chemisch. Mithilfe von Phosphorsäure werden Phosphate aus dem Klärschlamm gelöst. Diese Phosphorsäurelösung reichert sich mit dem Phosphatanteil des Klärschlamms an und wird anschließend mehrfach gereinigt. So lässt sich aus der neu gewonnenen Phosphorsäure ein hochreines Produkt für den Rohstoffmarkt gewinnen.
Die zur Lösung der Phosphate genutzte Phosphorsäure kann wiederum in den Kreislauf zurückgeführt werden, wodurch sich geringe Kosten für Chemikalien ergeben. Die zurückgewonnene Phosphorsäure mit dem Label RePacid® ist von höherer Güte als der Rohstoff aus natürlichen Vorkommen. Sie wird z. B. für die Herstellung von Korrosionsschutzmitteln, Futtermitteln oder als Phosphatdünger genutzt. Neben der Phosphorsäure werden Gips für die Baustoffindustrie sowie Eisen- und Aluminiumsalze zurückgewonnen. Diese Salze können wiederum zur Phosphat-Elimination in der Kläranlage verwendet werden.
Das TetraPhos®-Verfahren fügt sich damit wie ein Puzzleteil in die Prozesskette ein und ermöglicht erstmals eine vollständige und nachhaltige Schließung des Stoffkreislaufs Phosphor.
Mit welchen Herausforderungen sah sich das Entwickler-Team des TetraPhos®-Verfahrens konfrontiert?
Um ein Verfahren am Ende auch umsetzbar für den Markt zu machen haben wir aus unserer langjährigen Erfahrungen aus der Kreislaufwirtschaft folgende Maxime für die Verfahrensentwicklung gesetzt: Ausgangspunkt für ein wirtschaftliches Recycling ist der Anspruch der Industrie, dass Sekundärrohstoffe in konstanter Qualität und Verfügbarkeit, in flexibel einsetzbarer Form und zu marktfähigen Kosten zur Verfügung gestellt werden. Diese Punkte konnten alle erfolgreich umgesetzt werden.
Warum lohnt es sich, Phosphor aus Klärschlamm zurückzugewinnen?
Es gibt einige Gründe warum sich Phosphorrecycling aus Klärschlamm lohnt. Zum einen ist Phosphor ein lebenswichtiger Rohstoff, ohne den kein Leben auf der Erde möglich ist. Zudem konzentrieren sich die weltweiten Phosphorvorkommen auf einige wenige Länder. Europa ist zu fast 100 % auf Importe angewiesen und der Rohstoff weist zunehmend Verschmutzungen auf. Darüber hinaus kommt dem zentralen chemischen Element Phosphor bei der Nahrungsmittelproduktion, in Anbetracht einer stetig wachsenden Weltbevölkerung, besondere Bedeutung zu. Daher ist das Phosphorrecycling aus Klärschlamm ab dem Jahr 2029 auch vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Phosphorrecycling ist daher auf der einen Seite notwendig und auf der anderen Seite – wenn man es richtig macht – lohnt es sich, diesen essentiell wichtigen Rohstoff nicht nur zu verwenden, sondern auch für die zukünftigen Generationen durch Recycling zu sichern.
Das TetraPhos®-Verfahren bietet aber noch weitere wichtige Vorteile:
Positive Ökobilanz:
Es werden gleich mehrfach Stoffkreisläufe geschlossen und vollwertige Sekundärrohstoffe erzeugt. Zudem spart man 60 % CO₂ bei der Produktion von RePacid® im Vergleich zu importierter Phosphorsäure ein. Dies sorgt für eine sehr gute ökologische Gesamtbilanz.
Sichere Trennung von Nährstoffen und Schadstoffen:
Die Phosphorsäure ist ohne Einschränkungen ein vollständig marktfähiger und gängiger Sekundärrohstoff.
Rechtssicherheit:
Aus dem Klärschlamm werden weit über 80 % Phosphor zurückgewonnen. Dies wird der beschlossenen Novelle der Klärschlammverordnung (AbfKlärV) mehr als gerecht und macht Anlagen zukunftssicherer.
Exzellente Qualität:
Die zurückgewonnene Phosphorsäure RePacid® ist von höherer Güte als der Rohstoff aus natürlichen Vorkommen.
Am 1. März 2019 wurde der Grundstein für die weltweit erste Phosphor-Recycling-Anlage in Hamburg gelegt, 2020 wird sie in Betrieb genommen. Welche Mengen verarbeitet die Anlage?
Die Anlage in Hamburg verarbeitet den gesamten in der Stadt Hamburg anfallenden Klärschlamm zzgl. externer Mengen in der Monoklärschlammverbrennungsanlage Vera auf dem Köhlbrandhöft. Aus dieser Menge werden ca. 7.000 t hochreine Phosphorsäure, 35.000 t Eisen und Aluminiumsalze und 12.000 t Gips zurückgewonnen.
Die Bundesregierung sieht vor, dass Phosphor spätestens ab 2029 aus Abwasser recycelt werden muss. Welchen Beitrag kann die Anlage zur Erfüllung dieser Auflage leisten?
Das TetraPhos®-Verfahren zum Phosphorrecycling erfüllt bereits heute die in Kraft tretenden Verordnungen und sorgt so für eine zukunftssichere Investition. Außerdem ist die Phosphor- Recycling-Anlage in Hamburg die weltweit erste, die in der Lage ist, den Phosphor aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Sie ist somit ein Leuchtturmprojekt für die Umsetzung der Vorgaben der Bundesregierung und ein Meilenstein zum Schutz der natürlichen Ressourcen und zur Rückgewinnung von essentiell wichtigen Rohstoffen – im Auftrag der Zukunft.
Das Projekt auf dem Köhlbrandhöft in Hamburg wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unterstützt.